Vorkriegs-Vierachser aus Essen, 503-521

In den 30er Jahren entstand für die Essener Straßenbahn eine höchst interessante Fahrzeugreihe von geplanten 50 Fahrzeugen. Aufgrund des Krieges wurden nur 20 Stück geliefert, wovon 9 den Krieg nicht überlebten. Dieses Fahrzeug kann man als einen der ersten Großraumwagen bezeichnen, wenn nicht sogar als den Ersten, da keine Trennungen mehr zwischen Plattformen und Innenraum vorhanden waren.   http://666kb.com/i/byt9yq26z6ddfx8h3.jpg

 

Im Gegensatz zu anderen Fahrzeugen dieser Zeit handelt es sich um ein Stahlleichtbaufahrzeug, das nur ca. 12 t auf die Waage brachte. Alle Achsen waren angetrieben und zwar mit einem Längsantrieb im Drehgestell, der beide Achsen über Kegelgetriebe antreibt. Der Fahrschalter war elektromotorisch betrieben und besaß über 20 Fahrstufen. Einige Fahrzeuge waren sogar schon mit Feinstufern versehen. Diese Eigenschaften finden sich nahezu alle in den bekannten Düwag Großraumwagen wieder, was nicht sonderlich verwundert, da mein Vorbild vom Vorgänger, der Uerdinger Waggonfabrik, gebaut wurde.

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Foto: Werner Stock (Sammlung Ludger Kenning)

Auf dieser Aufnahme von Juli 1954 ist TW 504 soeben aus dem Betriebshof Alfredesbad ausgefahren um sich als Linie 2 auf dem Weg zum Essener Hauptbahnhof zu machen. Das Fahrzeug zeigt sich hier noch nahezu im Auslieferungszustand. Lediglich die seitliche Beschriftung ist geändert worden. Meine Modellausführung bildet einen späteren Zustand der Fahrzeuge ab. Orientiert habe ich mich dazu am Bild des TW 1904 (=508, 1950 = 530, 1940), den Michael Krafft am 25.06.1966 vor der Grugahalle aufgenommen hat. In der Literatur wird dieses Fahrzeug mit Ausmusterungsdatum 10.06.1966 angegeben. Ob dieses Datum korrekt ist, oder das Fahrzeug anlässlich des erwarteten Andrangs zum Beatles Konzert am 25.06. nochmal aktiviert wurde, vermag ich nicht zu sagen.

TW1904
TW 1904 vor der Grugahalle, 1966, Foto: Michael Krafft

Für weitere Fotos des Originals verweise ich auf den Bildbericht von Ludger Kenning im DSO oder auf die historischen Fotos der VhAG der EVAG. Das Modell entstand wie die Brandenburger Lindner als 3D Modell mit Hilfe von Sketchup:

und wurde dann bei Shapeways im Material „White, strong, flexible“ (WSF) gedruckt. Ich bevorzuge dieses Material, da es zum einen preisgünstig ist und zum anderen die Modelle auch relativ stabil sind. Die Wandstärke der Karosserie beträgt lediglich 1,0mm. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, ein anderes Verfahren zu wählen, um in „Frosted Detail“ (FD) das Modell erstehen zu lassen. Die Kosten sind dafür allerdings doppelt so hoch, es ist weiterhin eine Nachbearbeitung der Oberfläche erforderlich und das Material ist deutlich weicher als WSF.
Anfängliche Überlegungen, nur noch in FD die Modelle fertigen zu lassen, habe ich wieder verworfen. Die Oberfläche ist hierbei erheblich glatter, allerdings muss man das Modell aufwendig vom Schmierfilm befreien, den es umgibt. Die Oberfläche von Modellen in WSF sind herstellungsbedingt relativ rauh, aber mit vorsichtigem Einsatz einer Messingbürste auf dem „Dremel“ lässt sich diese gut glätten.
Das Modell besteht aus 3 Teilen, der Karosserie, dem Fahrgestell, sowie einer Abdeckung, die die Inneneinrichtung darstellt.
In das Fahrgestell können die Antriebsdrehgestelle der Fa. Halling eingesetzt werden, die über einen mittig angebrachten Motor angetrieben werden.
Für Testzwecke habe ich das Fahrgestell auch in Stainless Steel erstellen lassen. Einerseits um mir die Ergebnisse dieser Technik zu betrachten, andererseits um zu testen, ob damit die Modelle in ihren Fahreigenschaften verbessert werden können. Leider ist es nicht sehr preiswert, alleine das Metallfahrgestell schlägt mit über 50 € zu Buche. Allerdings bringt es 60g auf die Waage, das vergleichbare aus Kunststoff nur 8g.
So sieht das Modell aus, nachdem ist es von Shapeways erhalten habe:
Der Stromabnehmer, sowie die Drehgestelle dienen lediglich der Modelldarstellung.
Die Front des Modells zeigt das Gesicht vom TW1904 in der Ausführung im Jahre 1966. Oberhalb des Scheinwerfers befinden sich 3 Steckdosen und unterhalb des Scheinwerfers ist das Brems- und Rücklicht zu finden. Oberhalb des Frontfensters findet sich eine Vertiefung für den Zielfilm und am Dach ist eine aufgesetzte Liniennummernhaube.
Hier der Link zum Modell in Shapeways.
Die Laufbretter am Dach werden mit Ätzteilen dargestellt, da sich diese nicht in der erforderlichen Stärke in Kunststoff realisieren lassen.
Das Modell ist zwischenzeitlich lackiert worden. Den Anfang machen 2 Versionen und zwar TW 1904 in der Ausführung 1966, sowie TW 512 in der Ausführung Ende der 50er Jahre. TW 1904 wird noch seine authentische Reklame erhalten.  Der Unterschied zwischen den beiden Ausführungen ist die unterschiedliche Beschriftung, die auf den folgenden Fotos zu erkennen ist:

 

Update vom 22.11.2011
Fast fertig ^^
14.12.2011
Heute kann ich von einem Update berichten.
Ich habe das Modell dahingehend modifiziert, dass es der Ausführung Ende der 50er Jahre entspricht, bevor unter dem Scheinwerfer Brems- und Rücklicht montiert wurde. An dieser Stelle befand sich ein kleiner Gerätekasten auf dem eine Rückleuchte montiert war. Die Front unterschied sich so geringfügig von der des Modells der TW 1904.
Orientiert habe ich mich dabei am Modell des TW 508.
http://foto.arcor-online.net/palb/alben/33/4471733/1280_3031366234313332.jpg
Mein Modell ist gegenüber der Vorbildaufnahme etwas modifiziert. Ende der 50er Jahre erhielten die Fahrzeuge Liniennummerhauben, weiterhin entfielen die Griffstangen an den Einstiegen.
Und so sieht der 3D Druck aus:
Wie am Modell zu erkennen ist, besteht es aus einem anderen Material. Ich habe es testweise bei der belgischen Firma i.materialise erstellen lassen. Das Material nennt sich „Prime Gray“ und wurde mir als gut geeignet für den Modellbau empfohlen. Es ist ziemlich stabil und fest, ähnlich WSF von Shapeways, allerdings ist die Oberfläche deutlich glatter, an einigen Stellen sogar wie poliert. Ich vermute, dass es sich hierbei um ein Multi Jet Modelling Verfahren handelt.
Bei genauerer Betrachtung erkennt man auch hier die Abstufungen am Dach in der vorderen bzw. hinteren Abschrägung. Diese lässt sich aber mit Spachtel und Schleifpapier leicht beheben.
Die Seitenwände sind allerdings nicht ganz glatt, sondern man kann auch hier den schichtweisen Aufbau des Modells erkennen.
Die nächste Variante des Modells stellt die Ursprungsausführung mit Doppelscheinwerfern da. Diese ist bereits in Shapeways verfügbar:
Bei dieser Gelegenheit werde ich mal die Ausführungsvariante WSF polished testen.
Update 26.12.2011
Pünktlich zu Weihnachten erhielt ich die Warensendung von Shapeways mit den bestellten Drucken. Ein Modell habe ich wie angekündigt in WSF polished bestellt und es hat sich gelohnt. Das Modell ist glatt poliert und nahezu direkt lackierfähig. Der Preisunterschied ist gering zu WSF, so dass sich diese Fertigungsmethode sehr gut lohnt.
Die Sorge, dass kleine Details im Polierprozess verloren gehen, ist unberechtigt, es ist noch alles da, wo es hingehört, lediglich die Kanten sind etwas abgerundet, was jedoch nicht nachteilig ist.
Das Modell des TW 504 ist lackiert in der Ausführung der frühen 50er Jahre mit hellem Dach und Beschriftung Essener Straßenbahnen. Die EVAG existierte zur damaligen Zeit noch nicht, da der Straßenbahnbetrieb unter dem Dach der Süddeutschen Eisenbahngesellschaft (SEG) betrieben wurde. Die Fahrzeuge hatten aber nicht SEG mehr angeschrieben, sondern den Schriftzug „Essener Straßenbahnen“.
Die Fahrzeuge waren konzipiert für einen Traktionsbetrieb mit 2 Fahrzeugen, die mittels einer mechanischen Scharfenberg-Kupplung verbunden wurden.
Im Model sind hier TW 508 und TW 504 mit der auf dem vorletzten Bild sichtbaren BEMO Kurzkupplung verbunden.
Leider ist die BEMO-Kupplung etwas groß, so dass ich vorne eine Kupplungsattrappe von H&P verwendet habe.
Im Original ist die Traktion auch nach dem Krieg von belegt, allerdings ist nicht klar, ob eine Kombination TW mit Doppelscheinwerfern mit TW mit Einfachscheinwerfer gekuppelt waren. Der Umbau auf Einfachscheinschwerfer erfolgte ab ca. 1955, die Änderung der Dachfarbe von Beige auf Flaschengrün ab ca. 1952. Möglich ist es also, dass diese Traktion auch im Original existiert hat.
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Update vom 08.02.2012
Da ich leider einen Konstruktionsfehler im Metallfahrwerk hatte, lag dieses die letzten Wochen und wartete auf freie Werkstattkapazitäten.
Ich hatte leider das Fach für den Motor etwas knapp bemessen, sowie die Aussparungen für die Motoranschlüsse vergessen, so dass ich mir per Hand nachbessern musste.
Hier beide Prototypfahrwerke in Vergleich.
Der Stainless Steel hat eine Dichte von 8,07 g/cm^3, zum Vergleich: WSF 0,45 g/cm^3 und FUD 1,02 g/cm^3. Es ist also zu erwarten, dass man beim Metallfahrwerk ohne Zusatzbeschwerungsgewichte auskommen kann.
Hier die absoluten Zahlen der beiden Fahrwerke im Vergleich:
Das Modell mit dem Metallfahrgestell bringt den beachtlichen Wert von 107g auf die Waage:
Das mit Beschwerungsgewichten versehene Modell mit dem Kunststofffahrwerk erreicht dagegen nur einen Wert von 79g. Dieser Wert ist jedoch ausreichend, um ohne Haftreifen einen unmotorisierten Triebwagen über meine Anlage zu ziehen. Gerade in den mit Rillenschienen ausgelegten Kurven mit 20cm Radius treten hohe Reibungskräfte auf, die aber ohne Schleudern gemeistert werden.

2 comments to Vorkriegs-Vierachser aus Essen, 503-521

  • Tw 1904

    Hallo Guido,

    es ist immer wieder schön anzusehen, daß Dein Projekt des (nicht nur) Essener Vorkriegsvierachsers ständig weitere Fortschritte macht.
    Gut zu wissen, daß meine fotografische Tätigkeit anno 1966 an der alten Schleife des Gruga Südwest-Einganges (nicht Grugahalle !) nach weit über 40 Jahren nun solche Früchte trägt ! :roll:

    Gruss, Michael Krafft, alias Tw 1904

  • […] zu den Modellen des Rheinbahn Tw 107 und dem Essener Großraumwagen entstand als weiteres Modell der vierachsige Triebwagen der Merseburger Überlandbahn (MüBAG) […]

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